Wenn über Rroma geschrieben oder gesprochen wird, werden oft Klischees und Vorurteile zu „Wahrheiten“, die mit der Realität wenig zu tun haben. Mit diesem Argumentarium versuchen wir, kurz und bündig auf die meistgestellten Fragen einzugehen.
Die Bedeutung von Roma
Roma wird manchmal mit „Mensch“ übersetzt. Dies ist falsch, da der entsprechende Begriff in Romanes (und in Sanskrit) manuš ist. Rom mit dem Plural „Roma“ bedeutet „Mann“ und auch „Ehemann“. Die weibliche Form ist Romni mit dem Plural „Romnja“ und bedeutet „Frau“ und „Ehefrau“. Die sehr konsequente französische Verwendung von „Roms“ für den Plural ist also ebenso falsch wie die teilweise deutsche Verwendung von „Romas“ statt einfach „Roma“.
Sinti und Roma
Vor allem im deutschsprachigen Raum hat sich der Name „Sinti und Roma“ durchgesetzt. Das ist so, als würde man „Pariser und Franzosen“ oder „Londoner und Engländer“ sagen, denn Sinti sind Roma. Fragen Sie einen Sinto, welche Sprache er spricht, er wird in den meisten Fällen „Romanes“ sagen, fragen Sie ihn, wie er seine Frau nennt, und er wird „Romni“ sagen. Außerdem nennen sich Sinti aus Polen deutsche Roma (Sasytke-Roma). Der Name Sinti selbst ist neu, denn im 19. Jahrhundert nannten sich Sinti Kale (schwarz). Diese Bezeichnung entstand nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Zuzug von Roma aus Osteuropa nach Deutschland. Die Sinti, die Einheimischen, begannen, sie von den anderen, den „Roma“ im Allgemeinen, abzugrenzen.
Stammen all Roma aus Rumänien?
Besonders in den französischsprachigen Regionen herrscht oft die Verwirrung, dass alle Roma aus Rumänien stammen. Dies ist natürlich nicht der Fall. Aber Sinti in deutschen Landen und die Manouches in französischsprachigen Regionen verwenden „Roma“, um Vlach-Roma zu bezeichnen, d. h. Roma, die ursprünglich aus Rumänien stammen.
Warum Roma mit zwei „R“?
Beide Varianten Roma und Roma sind korrekt. Ursprünglich war das „Rr“ das retroflexive D in Sanskrit. Dieses D änderte sich phonetisch zum R in Romanes.
Wieviel Roma gibt es?
Es gibt zwischen 10 und 12 Millionen Roma. Da es viele Roma vorziehen, sich nicht als solche zu deklarieren, sind zuverlässige Angaben nicht möglich. In Westeuropa existieren keine ethnisch basierenden Statistiken und in Osteuropa, wo diese die Norm waren, sind sie nicht zuverlässig.
Sind Roma Fahrende?
Nein. Nur ein vernachlässigbarer Teil der gesamten Roma-Bevölkerung war jemals fahrend. Tatsächlich haben sie sich auf dem Balkan gleich nach ihrer Ankunft niedergelassen. Nur in West- und Nordeuropa wurden Roma de facto zum Reisen gezwungen, da sie sich nicht niederlassen durften.
Sind Roma nomadisch?
Nein, auch die wenigen Roma, die reisen, haben immer eine Heimatbasis. Sie zogen wegen ihrer Berufe (als Pferdehändler, als Kupferschmiede) von Dorf zu Dorf, hatten aber immer ein Haus.
Sind alle Fahrende Roma?
Nein, die meisten Fahrenden in Europa sind keine Roma. Zum Beispiel die Jenischen im deutschsprachigen Raum, die Tinkers in Irland. Man vergisst oft, dass viele Menschen in Europa von Ort zu Ort gereist sind um Arbeit zu suchen. Manche dieser Leute sind die Ahnen der heutigen Fahrenden in Europa.
Alle Roma stehlen und betteln
Ein Klassiker in Westeuropa! Wenn alle Roma in Europa tatsächlich nur betteln und stehlen würden, wäre das mehr als sichtbar: Zehn bis zwölf Millionen Diebe... Man kann nicht verneinen, dass manche betteln und stehlen. Es sind die, die man am meisten sieht und in der Presse gezeigt werden. So werden alle Roma stets in den gleichen Topf geworfen. Es ist eine ähnliche Aussage wie z. B. „Alle Deutsche sind Nazis“, oder „Alle Engländer sind Rowdies und Besoffene“ oder „Alle Italiener sind Mafiosi“. Wer würde es wagen, eine solche Aussage zu machen?
Roma sind dreckig
Die üblichen Bilder von Ghettos, von „Favellas“, von im Dreck rennenden Kindern etc. haben zu der allgemeinen Annahme beigetragen, Roma seien von Natur aus schmutzig. Tatsächlich ist das Gegenteil eher die Norm. Sauberkeit ist eine der obersten Regeln unter Roma, und selbst in einigen der schlimmsten Favellas kann man in den meisten Roma-Häusern fast auf dem Boden essen.
Roma stehlen Kinder
Das wurde im Mittelalter auch von den Juden gesagt. Aber genauso wie sie, bevorzugen die Roma, ihre Kinder selbst zu machen. Die Aussage ist vielleicht entstanden, weil nicht alle Roma dunkelhäutig sind, mit schwarzen Haare und dunklen Augen.
Roma haben viele Kinder – Ihre Bevölkerung wächst schnell
Die typische Roma-Familie hat nicht mehr Kinder als die generelle Bevölkerung. In Ländern wie Bulgarien, Mazedonien oder im Kosovo, wo seit dem 16. Jahrhundert zuverlässige Statistiken geführt werden, ist der Anteil der Roma gegenüber der gesamten Bevölkerung bei ca. 10 bis 15% konstant geblieben. In Ländern wie die Slowakei, Ungarn oder Rumänien haben Roma effektiv mehr Kinder als die generelle Bevölkerung. Dies hat aber eher mit ihrer sozialen Lage als mit einer „Roma-Eigenschaft“ zu tun.
Roma haben sich und wollten sich nie integrieren
Falsch! Im ganzen Balkan waren Roma gut integriert. So gut, dass sie in manchen Orte die Bourgeoisie bildeten. Sie arbeiteten seit je als Bauer, Rechtsanwalt, Richter, Polizist, Bäcker, Lehrer, sowie Handwerker usw. Überall, wo die Möglichkeit bestand, haben sich Roma integriert und trotzdem ihre Kultur beibehalten. Nur an Orten wie in Westeropa, in Rumänien (mit der Sklaverei) oder in Österreich-Ungarn, konnten sie sich nicht integreren. Nicht weil sie es nicht wollten, sondern weil Gesetze und Verbote die Roma zur Randgruppe drängten.
Falls man integriert ist, kann man noch ein Rom sein?
Integrated doesn’t necessarily mean one has to loose one’s identity. In Europe, since the 19th century, there has been a tendency to think that a country is equal to a unique culture, language, and even ethnic appurtenance. Europe was never like this before, and there are minorities. One can integrate, live a regular life, all the while keeping a different language at home. Would anybody ask the same question about Jews?
Roma können weder lesen noch schreiben - Sie haben keine Ausbildung
Als Rom wird man so oft mit der Frage: „Können Sie lesen und schreiben?“ konfrontiert, dass eseinem fast peinlich ist. Fakt ist, dass ca. 10 % der Roma studiert haben. In vielen Ländern Europas istdieser Anteil kleiner! Ausbildung ist heute eines der grössten Probleme für Roma. In einigen Ländern,meisten in ehemalige kommunistische Staaten, werden immer noch Roma in Spezialschulen oder inSchulen für geistig Behinderte geschickt. Jede Ausbildung wird so wissentlich verweigert.
Roma sind keine Europäer, es sind Ausländer
Falsch! Roma sind zwar indischer Abstammung, also nicht europäisch, aber die Slawen kamen vom Altai im 5. Jahrhundert, die Magyar im 8. von Zentralasien, die Deutschen vom Norden im 3. Jahrhundert, usw. Fast alle Europäer haben keine europäischer Abstammung! Fakt ist, Roma sind eine transnationale europäische Minderheit. Roma sind Europäer, und waren es immer. Ihre Identitätund Kultur ist in Europa entstanden, und während langer Zeit lebten keine Roma ausserhalb Europa.Nach 1’200 Jahren in Europa, wer kann sagen, sie seien keine Europäer?
Roma sind ein ein soziales Problem
Dies ist mittlerweile in vielen Ländern gängige Vorgehensweise. Anstatt ein Minderheiten- und Diskriminierungsproblem anzuerkennen, stufen viele Regierungen und leider auch NGOs das Roma-Problem als ein soziales ein. Die Begründungen sind einfach: geringe Bildung, geringe Erwerbsquote, Armut, Kriminalität etc. Warum das so ist, nämlich grassierende Diskriminierung, Vorurteile etc., wird eigentlich geleugnet, indem man das Thema Roma-Integration zu einem rein sozialen macht.