Alle Roma wurden immer verfolgt – richtig? Nein, es ist falsch, da es in der gesamten Geschichte des Osmanischen Reiches keine Verfolgungen von Roma gegeben hat.

Roma galten im Osmanischen Reich als Bürger wie alle anderen, mit einer bemerkenswerten Ausnahme, nämlich, dass sie als Christen die Haraç – Steuer – zahlen mussten, selbst wenn sie, wie viele andere, zur muslimischen Religion übergetreten waren.

Dank der osmanischen Besessenheit von der Steuererhebung verfügen wir über ein wunderbares Instrument, um die Roma-Bevölkerung vom ersten osmanischen Steuerregister im späten 15. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts zu studieren. Die Osmanen stützten ihre Steuern auf Kernfamilien, die in Steuereinheiten namens Cemaat zusammengefasst waren. Sie notierten die Anzahl der Kinder, den Beruf des Familienoberhauptes und die Höhe der zu zahlenden Steuern.

Aus diesen Registern können wir viele Informationen ableiten:

• dass die Roma-Bevölkerung über Jahrhunderte ziemlich konstant bei etwa 10 % der Gesamtbevölkerung blieb
• dass Roma viele verschiedene Jobs hatten, von den niedrigsten bis zu den höchsten, einschließlich bei der Polizei, der Armee und der Verwaltung
• Viele Roma waren gelernte Stahlschmiede, die in der Rüstungsindustrie angestellt waren, Kanonen gossen und Schwerter schmiedeten
• dass einige Roma tatsächlich sehr reich waren, da ihre Steuerbelastung das Hundertfache des durchschnittlichen Jahreseinkommens einer Familie betrug

Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts gab es keine Anti-Roma-Gesetze, und diese sehr wenigen Gesetze richteten sich gegen Roma, die aus der Sklaverei in der Walachei und Moldawien flohen. Es gibt nichts gegen Roma aus Rumelien, dem europäischen Teil des Imperiums.

Diese Situation dauerte über den Fall des Osmanischen Reiches hinaus an, wo die Anti-Roma-Vorurteile bis vor Kurzem, mit dem Aufstieg des Nationalismus und populistischer Politiker, insbesondere nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, selten waren. Die Roma waren integriert, hatten Arbeit und waren Teil der allgemeinen Gesellschaft.