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July/August 2008:During the summer, one member of the foundation went and visited the by now famed Rroma camps around some of the biggest Italian cities. This report, in German, is the result of these vistis and offer an insight in the real situation of Rroma in that country.
Diskriminierung und Ausgrenzung der Rroma in Italien – Juli/August 2008
Stefan Heinichen, Rroma Foundation, Zürich
Einführung
Mitte Mai 2008 ging das Gerücht um, “Zigeuner” von Ponticelli in Neapel hätten ein Baby gestohlen. Daraufhin zerstörte ein wütender Mob die Behausungen von rund 500 Rroma. Weitere Übergriffe gegen Rroma folgten; am 22. Juli in Magliana in Rom warfen Unbekannte einen Molotov-Cocktail gegen ein Rroma-Camp. Ein paar Tage später fand ein ähnlicher Vorfall auf eine Sintigruppe in der Nähe von Florenz statt.
Zur gleicher Zeit gingen schockierende Bilder um die Welt, die entspannte Urlauber an einem italienischen Strand in der Nähe von Neapel neben zwei toten Kindern zeigten. Cristina und Violetta, zwei Rroma-Mädchen, ertranken am 19. Juli auf ungeklärte Weise im Meer. Notdürftig wurden sie mit Badetüchern bedeckt, es ging aber mehr als drei Stunden, bis die Gerichtsmediziner eintrafen. Eine Diskussion wurde daraufhin ausgelöst ob den Kindern ausreichend geholfen geworden sei. Der Erzbischof von Neapel hält die Vorkommnisse für eindeutig schlimmer als das Müllproblem.
In Italien sind die feindlichen Klischees gegenüber Rroma sehr verbreitet. Insbesondere herrscht immer noch das Bild von herumreisenden “Zigeunern” vor: Die Frauen tragen bunte Kleider und viel Schmuck, sie legen die Karten und haben eine geheimnisvolle und zwielichtige Ausstrahlung. Die Kinder sind schmutzig und werden zum Stehlen und Betteln angehalten. Die Männer indessen sind gewalttätig und trinken den ganzen Tag. Diese Vorurteile sind im Land weit verbreitet, und so ist es nicht verwunderlich, dass rechtsgerichtete Kreise mit ihren rromafeindlichen Aussagen überall auf offene Ohren stossen. Laut einer Umfrage im Jahre 2000 forderten bereits damals 68 % der Befragten die Ausweisungaller Rroma aus Italien (European Roma Rights Center, Budapest November 2000).
Rroma in Italien
Bereits aus der Zeit der Ankunft der Rroma im italienischen Raum während des 15. Jahrhunderts sind die ersten Zeugnisse von Ausweisung und Verfolgung bekannt. Erste Dekrete, wie eines aus dem Jahre 1500 durch Maximilian I, sicherte jenen Straffreiheit zu, welche “Zigeuner töteten”. Die Diskriminierung hat die Rroma in Italien in ihrer ganzen Geschichte begleitet.
In Italien sind drei Gruppen auszumachen, die seit jeher dort leben: die Calabresi, die Abbruzzesi, und die Sinti Piemontesi. Letztere sind mit der österreichischen Besatzung im 19. Jahrhundert ins Land gekommen. Historisch gesehen gibt es zudem Albanische Rroma, die wohl bereits mit einer grossen albanischen Minderheit während dem16. Jahrhundert eingewandert sind. Schliesslich sind die Rroma zu erwähnen, die während des 2. Weltkrieges aus Kroatien nach Italien geflohen sind. Sie leben heute hauptsächlich im Raum Milano.
Über die Zahl der Roma in Italien gibt es keine gesicherten Angaben. Laut offizieller Angabe sind es um die 130.000. Einige NGOs schätzen die Zahl der Rroma mit italienischer Staatsbürgerschaft zwischen 60.000 und 90.000, die Zahl der im Ausland geborenen Rroma (oder derer, die in Italien von eingewanderten Eltern geboren wurden) zwischen 45.000 und 70.000 (dabei handelt es sich vor allem um Personen aus Ex-Jugoslawien). Einige von diesen sind “illegale” Einwanderer (s. Bericht Gesellschaft für bedrohte Völker GfbV Nov. 2000).
Obwohl sie schon seit Jahrzehnten im Land leben, haben die vielen Rroma Probleme mit ihrem Aufenthaltsstatus. Diejenigen, welche versuchten, ihre Aufenthaltspapiere in Ordnung zu bringen, sind oft nur im Besitz einer vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigung. Diese haben in der Regel eine Dauer von einem bis sechs Monaten.
Viele Roma leben abseits von der italienischen Gesellschaft. Ausgeschlossen und ignoriert leben sie auf schlammigen Böden und heruntergekommenen Plätzen. Grundlegende Dienstleistungen wie Wasser und Strom sind entweder kaum oder überhaupt nicht verfügbar. Diese Ansiedlungen werden dann oft als “illegal” oder “nicht genehmigt” bezeichnet und können folglich immer kurzfristig geräumt werden. Im italienischen Sprachgebrauch leben diese Rroma in genehmigten “Campi” (Lagern). Systematisch grenzt die italienische Mehrheit die Rroma aus und verhindert ihre Integration.
Italien als Migrationsland
Italien ist vom Auswanderungsland zu einem Migrationsland geworden.
Seit den 90er Jahren sorgt das Auftauchen von Bootsflüchtlingen ausAfrika und Asien an den Südküsten immer wieder für Schlagzeilen
Daneben gibt es eine grosse Anzahl von Menschen aus Südosteuropa, die auf der Suche nach einem neuen Einkommen nach Italien auswandern. Aufgrund der sprachlichen Verwandtschaft sind es vor allem Rumänen, die ins Land gelangen. Meistens übernehmen sie diejenigen Jobs, für die kaum noch Einheimische gefunden werden können.
Obwohl die billigen Arbeitskräfte aus dem Osten einiges zum Wohl der Wirtschaft beitragen, kann Italien die Rolle des Einwanderungslandes kaum akzeptieren, Nicht zuletzt deshalb, weil seine Bewohner vor nicht allzu langer Zeit selber in andere Länder auswandern mussten.
Die Frage der Migration sorgt immer wieder für heftige Debatten im Land. Besonders die Anwesenheit der rumänischen Staatsangehörigen sorgt fürallgemeinen Unmut. Sie haben einen schlechten Ruf und gelten als kriminell. Dabei scheut sich die Öffentlichkeit nicht, Rumänen und Rroma als dieselbe Volksgruppe anzusehen. Rumänien gilt als das Land der Rroma, und wer dieses Land verlässt, kann ja nur ein “Zigeuner” sein. Diese Behauptung hat die Regierung in Bukarest sehr empört und hat dazu geführt, dass sie in Rom eine scharfe Protestnote hinterlassen hat.
Wie viele Rroma sind aber tatsächlich in dieser Migrationswelle vertreten? Neuste Zahlen sprechen von 1 Mio. rumänischen Staatsangehörigen, die in Italien leben. In diesem Zusammenhang ist zu vermerken, dass offizielle Zahlen für den Balkan den Anteil der Rroma auf 10 bis 15 % berechnen.
Geht man also von 1 Mio. rumänischer Staatsangehörigen aus, so sind darunter nur etwa 150’000 Rroma zu zählen. Der weitaus grössere Teil dieserEinwanderer sind dementsprechend Rumänen! Hinzu kommt, dass dieser Anteil der Rroma sich nicht als solche deklariert und deshalb kaum auffällt.
Politikund Migration
Mit dem so genannten “Kampf gegen kriminelle Ausländer” versucht die Regierung Berlusconi von den enormen sozialen Problemen im Land abzulenken. Einerseits ist Italien zu einem der wichtigsten Migrationsländer in Europa geworden. Tausende von Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern haben hier Zuflucht gesucht. Hinzu kommen billige Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern. So spricht man bereits von rund1 Mio. Rumänen, die auf dem Bau, als Haushaltshilfe oder sonst irgendwo als Hilfsarbeiter tätig sind. Anderseits hat es heute auch die einheimische Bevölkerung nicht mehr so einfach. Viele junge Menschen finden kaum noch ein Einkommen, von dem man leben kann. Auch die Generation der Alten hat es schwer. Durch die steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise nimmt die Verarmung breiter Schichten zu. Im Juni stieg die Inflation mit 3,8 Prozent auf den höchsten Stand seit zwölf Jahren.
Um gegen allfällige gewaltsame soziale Spannungen – wie beispielsweise die wachsende Wut der Bevölkerung gegen die Müllhalden in Neapel – vorgehen zu können, bereitet sich die Regierung systematisch auf die Konfrontation vor und rüstet den Staat auf. Das Argument der Sicherheit dient neu als Vorwand, um den Einsatz von Militär im Innern zu rechtfertigen. So patrouillieren seit anfangs August hunderte von Soldaten in den Grossstädten Italiens.
In dieser “Sicherheits- und Migrationspolitik” dienen die Rroma hervorragend als Sündenböcke für die wachsenden Probleme im Land. Sie werden nicht mehr als eine ethnische Minderheit, sondern als eine “kriminelle und asoziale Gruppe” dargestellt. Die lokale Presse verstärkt dieses Bild zusätzlich. Praktisch täglich warnen Journalisten in Leitartikeln vor einer “sozialen Zeitbombe” in den Rroma-Lagern.
Behörden und Politikersetzen sich kaum für die Integration der Rroma ein. Das Gegenteil ist oft der Fall: Italien ist das einzige westliche europäische Land, das ein öffentlich organisiertes Netz von Ghettos hat. Dies verhindert die Möglichkeit zur Teilnahme an der Gesellschaft und auch nur den Kontakt mit ihr, oder gar die Integration.
Innenminister Roberto Maroni –auch Fraktionsvorsitzender der rechtsgerichteten Lega Nord –hat kürzlich in diesem Zusammenhang die neuste Regierungsmaßnahme bekannt gegeben: es soll eine Kartei speziell für Rroma geben, die eine DNA-Datenbank mit dem so genannten digitalen Fingerabdruck und Fotos von jedem Einzelnen enthält. Auch kleine Kinder werden auf diese Weise registriert. Für diese Datenbank hat die Regierung ein faschistisches Gesetz aus dem Jahr 1941 wieder in Kraft gesetzt.
Eine Bevölkerungsgruppe wird aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit mit Fingerabdrücken erfasst. Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte daraufhin irritiert, so etwas hätte es noch nie in der Union gegeben.
In der Zwischenzeit ist der Protest aus Europa jedoch heftiger geworden. Der Kommissar für Menschenrechte, Thomas Hammarberg, hat Italien für die fremdenfeindlichen Rromapolitik stark gerügt. Die empörte Reaktion der italienische Regierung kam postwendend: Europa verstehe die Zusammenhänge nicht, heisst es. Immerhin ist zurzeit das fragwürdige Karteigesetz aufs Eis gelegt worden.
Die Lage der Rroma in Rom
Rom ist ein Schmelztiegel, wo hunderte von Nationen zusammenleben. Neben Touristen prägen heute vor allem fliegende Händler aus Bangla Desh und China das Stadtbild. Mehr oder wenig werden sie und ihre halblegalen Geschäfte geduldet. Polizei und Carabinieri sind in der Innenstadt stark präsent.
Wer mit der Metro etwas ausserhalb der Innenstadt fährt, merkt bald, dass hierviel rumänisch gesprochen wird. Wegen der sprachlichen Verwandtschaft mit dem Italienischen zieht es besonders viele Rumänen nach Italien. Durch Freunde und Bekannte finden sie rasch eine Anstellung und erhalten daraufhin den “Permesso di soggiorno”, die Aufenthaltserlaubnis. Zunehmend sind auch Bulgaren anzutreffen. Sie sind oft nur während einer Sommersaison da und arbeiten in den Touristenanlagen im nahe gelegen Ostia.
Wie in den anderen Grossstädten Italien, leben auch in Rom die Rroma vielfach in elenden Barackensiedlungen am Rand der Hauptstadt. Als eine Umgebung von Schmutz und Perspektivlosigkeit fördern diese – vom Staat verordneten – Ghettos tatsächlich die Kriminalität. Etwa 15’000 bis 20’000 Rroma leben hier. Die meisten stammen aus Rumänien und sind in den letzten Jahren eingewandert. Zuvor waren es vor allem Rroma aus dem ehemaligen Jugoslawien, die hierher emigriert sind. Man nimmt an, dass nur etwa 1’500 BewohnerInnen dieser Siedlungen den italienischen Pass besitzen. Der grosse Rest lebt ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Die Stadt Rom unterhält offiziell neun Camps mit einer minimalen Infrastruktur. Weitere vierzehn Camps gelten als “halblegal”. Hier fehlt es praktisch an allem, um einigermassen würdig zu leben. 2007 wurden in der Umgebung von Rom 66 wilde Lager mit polizeilicher Gewalt aufgelöst.
In einer solchen gegen Rroma fremdenfeindlichen Umgebung gegen gibt es nur sehr wenige, die versuchen, sich für die Rroma ohne Vorurteile einzusetzen.
Marco Brazzoduro, Professor für Soziologie, und die Fachlehrerin Vanessa Ioannoni gehören zu einer Gruppe, die regelmässig und auf freiwilliger Basis die Ghettos von Rom besuchen. Neben den blossen Kontakten zu den Rroma besteht ihre Arbeit darin, zwischen Behörden und den BewohnerInnen der Siedlungen zu vermitteln. Dazu gehört auch viel Kleinkram wie das Ausfüllen von Anmeldeformularen oder das Begleiten einer schwangeren Frau zu ihrem Arzttermin. Eher durch Zufall sei er auf die Probleme der Rroma gestossen, erklärt der Soziologieprofessor. Bei einem Projekt über das urbane Leben von Rom besuchte er auch ein Camp. Die katastrophalen Zustände dort hätten ihn sehr geschockt. Dass es solche Elendsviertel in Italien gibt hätte er zuvor für nie möglich gehalten. Seither bemüht er sich um die Verbesserung der Lebenslage der Rroma in der Hauptstadt.
Zwei Beispiele:
Campo Salviati 1 und Salviati 2
Nordöstlich von Rom, zwischen Industriequartier, Bahngeleise und Brachland, befinden sich zwei nebeneinander liegende Rroma-Camps. Entsprechend dem Strassenname werden die Lager Salviati 1 und Salviati 2 genannt. Die Gegend sieht heruntergekommen aus. Der Anblick erinnert an die Favelas in Südamerika. Fünzig Container sind von den Behörden zu Verfügung gestellt worden und bieten für rund 270 Menschen Platz. In Wirklichkeit leben aber gut 100 Personen mehr auf diesem Areal. Zwei Rroma-Gruppen bewohnen die Siedlung: im Campo Salviati 1 sind es vorwiegend Rudari und Ursari aus Serbien. Die Familien sind bereits in den sechziger Jahren in Italien eingewandert. Trotz bescheidenem Wohlstand und Bemühung um Integration (die Kinder gehen zur Schule und sprechen ein ausgezeichnetes Italienisch), haben sie kaum die Möglichkeit, aus diesem Ghetto herauszukommen.
In der Nachbarsiedlung indessen, dem Campo Salviati 2, wohnen Rroma aus Bosnien und Monte Negro. Von offizieller Seite werden sie Xorxane, also türkischstämmige Rroma, genannt. In Wirklichkeit handelt es sich um zwei andere Untergruppen, die zwar muslimisch sind, aber ursprünglich von den Vlax abstammen: die Kaleipeiro und Cercasi. Semsa S. wohnt seit dem Bosnienkrieg hier. Sie gehöre zu den “Vergessenen”, meint Marco Brazzoduro. Denn seit ihrer Ankunft vor 15 Jahren hat die Familie grosse Probleme mit dem Aufenthaltsstatus. Sie sind zwar geduldet, können aber ohne Angabeeines Grundes abgeschoben werden. Warum das so ist weiss eigentlich niemand so genau. Sogar der Professor von der Universität hat Mühe, das Formular richtig auszufüllen und zu verstehen. Fakt ist einfach, dass in einem früheren Prozedere der Name des Ehemannes zum xten-mal falsch geschrieben wurde. Ob es sich hier um Absicht oder einfach um eine Unsorgfältigkeit handelte, ist nicht einsehbar. Semsa ist darüber sehr wütend. In letzter Zeit kämen auch viele Journalisten und wollten ihre Familie fotografieren. Sie weigerten sichimmer aufs Heftigste. Man könne nie wissen, welche Auswirkungen dies schlussendlich auf sie haben würde. So oder so verdrehe die Presse ihr Situation und schriebe genau das Gegenteil der Wahrheit.
Campo “River”
Weit ausserhalb im Norden der Stadt steht im Niemandsland eine Wohnwagensiedlung. Neben den zerbeulten Wohnwagen sind auch einige winzige quadratische Bungalows zu finden. Die ganze Umgebung hinterlässt einen deprimierenden Eindruck. Das Camp wird durch einen Pförtner bewacht. Besucher müssen sich dort anmelden und ihre Papiere hinterlassen. Rund 270 Menschen, vorwiegend aus Rumänien, leben hier. So auch Veronica mit ihrem rumänischen Ehemann und ihren 6 Kindern. Es ist erstaunlich, welche Freude die Familie zeigt, wenn Besuch kommt. So gibt es doch eine kleine Abwechslung im tristen Alltag. Die Kinder von Veronica sind ordentlich und sauber gekleidet. Die Mutter achtet sehr darauf, dass alles so normal wie möglich wie bei einer ganz gewöhnlichen italienischen Familie verläuft. Vor neun Jahren seien sie auf der Suche nach Arbeit in Rom gelandet, erklärt die sechsfache Mutter. Endlich habe ihr Mann eine Anstellung als Maurer gefunden und verdiene jetzt etwa 900 Euro. Zuvor hätte die Familie in einem Camp in der Nähe der Innenstadt gewohnt. Durch die neue Arbeit erhofften sie sich natürlich, endlich eine Wohnung zu finden. Die zuständige Behörde hätte ihnen hinsichtlich eines neuen Heimes auch die Hoffnung gemacht. Stattdessen erhielt die Familie einen Transfer in dieses Camp … Veronica kann ihre Enttäuschung nicht verbergen. Jetzt teilt sie ihre kleine Unterkunft mit zwei weiteren Familien. Behelfsmässig hat sich die Familie eine Küche ausserhalb des Häuschens eingerichtet, um wenigstens dort eine gewisse Privatsphäre zu bewahren. Sie seien gezwungen, wie die “Zigeuner” zu leben, meint lakonisch die junge Mutter. Einen Kühlschrank habe sie keinen und der Strom laufe pro Tag nur etwa vier Stunden. Wie könne man da in dieser Hitze Lebensmittel aufbewahren? Trotzdem hofft Veronica immer noch auf ein normaleres Leben …
Fazit
Es ist eine Tatsache, dass Italien enorme Probleme mit seiner Flüchtlings- und Migrationspolitik hat. Doch eine breite Bevölkerungsschicht profitiert auch von der Einwanderung vieler billiger Arbeitskräfte. Der Widerspruch kann nicht grösser sein: einerseits haben populistische Parteien wie Forza Italia und Lega Nord grossen Zuspruch wegen ihres fremdenfeindlichen Handelns, anderseits stellt dieselbe Wählergruppe gerne günstigere ausländische Arbeiter zu viel schlechteren Bedingungen als die Einheimischen ein.
Was sich hinter dem so genannten “Ausländerproblem” in Wirklichkeit verbirgt, ist die katastrophale Integrations- und Wohnungspolitik der italienischen Regierungen in den letzten Jahren. Dass jetzt gerne in diesem Zusammenhang eine Minderheit wie die Rroma für all die Versäumnisse verantwortlich gemacht wird, ist eine sehr gefährliche Gratwanderung welche sich ein Rechtsstaat wie Italien nie erlauben dürfte. So sind die wenigen Tausend rumänischen Rroma in den Camps gegenüber einer Million Landsleuten aus Rumänien doch eine verschwindend kleine Zahl! Ist es also legitim, diese kleine Gruppe für all die Missstände im Land verantwortbar zu machen?
Seit Jahren zum Beispiel boykottiert die Lega Nord die offizielle Anerkennung der Rroma als Minderheit, welche eigentlich im Rahmen des Minderheitengesetztes 482 von 1999 vorgesehen wäre. Für die Rroma ist daher die Situation mehr als kritisch: wegen der fehlenden gesetzlichen Anerkennung als Minderheit können sie nicht einmal auf Mindestgarantien für ihre Rechte hoffen. Die Ausgrenzung von Rroma in schändlich verfallenen so genannten “Zigeunerlagern” ist in Italien leider zur Regel und Normalität geworden.
Nur eine radikale Kehrtwende kann die Situation der Rroma in Italien verbessern. Dazu bedarf es in erster Linie einer soliden und grundierten Aufklärungs- und Informationskampagne, die mit den Klischees wie “Nomaden” oder “Fahrende” aufräumen sollte. Des Weiteren muss die Anerkennung der Rroma als eine Minderheit in Italien endlich durchgesetzt werden. Dann können sich integrationswillige Rroma auch besser für ihre Rechte wehren und wären nicht mehr gezwungen,,in den für sie vorgesehenen Ghettos zu leben.